Auch in diesem Jahr durfte ich wieder mit Moosi und Herrchen wegfahren. Ich hatte mich schon gefreut, wieder so einen schönen Heurigen-Urlaub zu machen, wie ich ihn im letzten Sommer hatte. Aber dieses Mal ging es gar nicht in die Wachau. Moosi wollte gerne noch einmal in den Ort, wo sie vor dreißig Jahren mit ihren Eltern in Urlaub gewesen ist – nach Hinterstein im Allgäu. Ins gleiche Haus wie damals.
Zuerst war ich ein bisschen enttäuscht, aber dann erzählte Moosi, wie hungrig sie damals in der guten Bergluft geworden war und dass sie gefuttert hatte wie eine siebenköpfige Raupe. Als ich das hörte, atmete ich auf.
Als wir ankamen, regnete es, genau wie zu Hause bei der Abfahrt. Und in dem dicken Nebel konnte ich gar nicht sehen, wo ich gelandet war. Nur die Ferienwohnung konnte ich genauer betrachten. Die war wirklich sehr schön, mit einem bequemen Sofa, einer großen Essecke und auch einer gemütlichen Eckbank in der Küche. Dazu ein schönes ruhiges Schlafzimmer, ein großes Bad, eine riesige Diele mit weichen Teppichen und eine Terrasse mit Liegestühlen. Toll. Genau richtig für mich.
Kaum hatte Moosi die Koffer ausgepackt, kam die Sonne heraus, und wir gingen Gassi. Als ich draußen war, bekam ich einen Riesenschreck. Hohe Berge rundherum! Ach Du Schreck. Das war gar keine gute Umgebung für Schweinehunde.
Moosi und Herrchen hatten aber gar nicht vor, auf einen dieser Berge zu klettern, sondern machten einen Spaziergang durch das Tal, und so war ich beruhigt. Gottseidank. Noch mal davongekommen. Zur Belohnung bekam ich nach dem Spaziergang eine köstliche Leberknödelsuppe, einen wunderbaren Krustenbraten mit Spätzle und danach Eis mit heißer Schokolade zum Abendbrot. Göttlich, sage ich Euch. Jetzt freute mich auf den restlichen Urlaub.
Am nächsten Tag nach dem Frühstück bekam ich erst mal Panik. Unsere Vorräte waren alle und die Küche der gemütlichen Ferienwohnung hatte einen leeren Kühlschrank. Ich hoffte also, dass Moosi nach dem Frühstück schräg gegenüber in den Laden gehen würde. Fehlanzeige! Zu Fuß ging es über Bad Oberdorf nach Hindelang, in den nächsten Supermarkt. Und dann auch noch zu Fuß wieder zurück. Dabei nieselte es die ganze Zeit. Nachmittags musste ich dann noch mit auf eine Wanderung. Wir gingen an einem Wasserfall hoch und ich war gar nicht begeistert, trotz des leckeren anschließenden Abendessens. Ich war pitschnass, fix und foxi und konnte mich nur noch halbtot aufs Sofa werfen. Grummel!
Am Tag darauf wurde es noch schlimmer. Die beiden beschlossen, zu Fuß zum Giebelhaus zu marschieren, weil dieser Weg asphaltiert sei. Dabei regnete es in Strömen. Die ganze Zeit! Ich bettelte und jammerte, aber es wurde keine Rücksicht auf mich genommen. Triefnass kamen wir nach 2 1/2 Stunden dort an. Die spinnen doch, die beiden. Als sie sich nach einer Kaffeepause wieder auf den Rückweg machten, wollte ich nicht mehr weitergehen, aber ich wurde gnadenlos mitgeschleift. Unterwegs trafen wir noch mehr solch verrückte Wanderer. Bergwanderer sind total hirnlose Menschen! Manche kamen sogar oben von den Gipfeln, wo dreißig Zentimeter Schnee lagen. So was nennt sich nun Sommerferien. Da lobe ich mir doch die Wachau mit ihrem guten Wein. Das Einzige, was hier wirklich besser war als dort, war das wunderbare Essen.
Abends auf meinem Sofa habe ich richtig geschmollt und hätte meine beiden Futterspender am liebsten in die Haxen gebissen. Ich habe mich lautstark beschwert, dass ich nicht ständig bei diesem nassen Wetter draußen herumlaufen wolle. Moosi versprach, dass ich nicht mehr durch den Regen laufen müsste, und ich atmete auf.
Leider regnete es auch an den nächsten Tagen, aber Moosi hielt ihr Versprechen. Allerdings ganz anders, als ich es gedacht hatte. Die beiden warteten nämlich immer eine kurze Regenpause ab, um aus dem Haus zu gehen. Und was taten sie dann? Etwas ganz furchtbares, sage ich Euch. Sie kraxelten die Berge hoch, und suchten sich dazu die steilsten Wege aus. Sie marschierten so lange weiter, bis wir über den Wolken waren. Haste da noch Töne? Ich dachte immer, über den Wolken wäre der Himmel, aber da waren nur Felsen und Almwiesen und massenweise dämliche Kühe. Aber dort oben schien die Sonne, und ich konnte mich nicht beschweren, denn ich hatte mir das ja selbst eingebrockt.Beim nächsten Mal denke ich besser nach, wenn ich quengele.
Na, wenigstens gab es oben auf den Almhütten immer einen guten Bergkäse, frische Milch und Butter und köstliches, frischgebackenes Brot. Ein kühles Bier oder frischen Apfelmost gab es auch noch dazu, das versöhnte mich ein bisschen.
Moosi sorgte auch dafür, dass ich den ganzen Tag mit reichlich Futter versorgt wurde. Sie selbst aß auch mindestens drei Brötchen und ein dickes Müsli zum Frühstück, ein leckeres Mittagessen und abends noch einmal Suppe, Hauptgericht und manchmal sogar ein Dessert.
Ihr könnt Euch mein Entsetzen nicht vorstellen, als ich nach der ersten Woche bemerkte, wie Moosis Hosen immer lockerer saßen. Das lag bestimmt an den Wanderungen, die täglich länger und länger wurden. Und die Wege wurden auch von Mal zu Mal schwieriger und steiler. Manchmal war mir richtig schwindelig, wenn ich herunter sah und die Häuser viele, viele hundert Meter tiefer lagen.
Einmal hörte ich, wie Moosi und Herrchen besprachen, dass sie an diesem Tag zum Paradies wandern wollten. Es wurde mir etwas mulmig zumute. Wollten die Suizid begehen, oder was? Dann dachte ich nach und beruhigte mich wieder. Sicher hatten sie nichts dergleichen vor, hätten sie sonst belegte Brote mitgenommen? Nein, es musste sich um das Paradies auf Erden handeln, von dem die Leute immer reden.
Wir wanderten also erst einmal über zwei Stunden lang ein Tal entlang. Dann ging es einen steilen Weg hinauf auf einen Berg. Ich wurde immer ungeduldiger. Wann kam denn nun endlich das Paradies? Gab es da Riesendöner und Pizza bis zum Abwinken und einen bequemem Liegestuhl für mich? Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen. Wenn wir nur erst da wären! Als wir endlich oben waren, wurde ich unsanft aus meinen Tagträumen gerissen. Das sollte das Paradies sein?
Das Paradies auf Erden ist eine einzige große Lüge. Dort oben gab es nur ganze Scharen von Kühen und die Schwarzenberg-Hütte, und die stand auf einem weiten Wiesenplateau. Dieses Plateau heißt „Paradies“. Herrchen sagt, so nennt man es wegen seiner uralten schönen Bäume und der herrlichen Aussicht. Ich fand die Aussicht aber gar nicht herrlich, denn man sah weit und breit kein Döner und auch sonst nichts, was Schweinehunden Freude macht. Sitzen konnte man nur auf harten Holzbänken. Pfui! Ich krakeelte ordentlich herum, weil ich so sauer war. Deshalb spendierte Herrchen uns einen großen Kaiserschmarren mit Zwetschgenröster, damit ich endlich die Klappe hielt. So. nun wisst Ihr Bescheid. Wenn Euch einer was über das Paradies erzählt, fallt ja nicht drauf rein!
Gegen Ende des Urlaubs hatte ich ziemlich wunde Pfoten und war sehr erleichtert, dass es am vorletzten Tag nur zur Bergstation der Horn-Seilbahn gehen sollte. Eine Strecke zu gehen wäre genug, sagte Moosi und bergab gehen macht mir ja nichts aus. Seilbahn fahren ist immer gut, deswegen meckerte ich auch nicht, als wir aus dem Haus gingen.
Der Tag fing gut an. Die Sonne strahlte, und die beiden hatten leckere Dinge in den Rucksack gepackt. Gut gelaunt wanderten wir durch die Täler bis zum Fuß des Imberger Horns. Aber dann – oh Mord und Entsetzen – verließen wir den Talweg und es ging höher und höher bergauf. So lange, bis wir bei der Bergstation angelangt waren. Und oben gab es noch nicht einmal ein richtiges Mittagessen, sondern nur ein großes Mineralwasser. Die Brote waren längst aufgefuttert, und mein Magen knurrte fürchterlich. Glücklicherweise ging es bergab mit der Seilbahn, aber trotzdem war es ein weiter Weg zurück bis in unser Dorf.
Mal ehrlich, liebe Tierfreunde, ist das normal, was Moosi und Herrchen mit mir machen? Jeder normale Mensch fährt bergauf mit der Seilbahn, nur diese beiden Irren machen das umgekehrt.
Nachmittags wollte ich mich ausruhen, aber ich durfte nur ein ganz kurzes Nickerchen machen, um gleich darauf wieder aus dem Haus gescheucht zu werden. Die beiden wollten in die Hochvogelstuben und diesen Besuch wegen des schönen Wetters mit einem kleinen Spaziergang verbinden. Grrrrr…… Hoffentlich wollten die mich nicht wieder reinlegen.
Ich beruhigte mich wieder, als sie den Weg ins hintere Tal einschlugen, denn das war die richtige Richtung. Doch auf einmal bogen die beiden rechts ab. Es ging eine steinige Schlucht hinauf. Dort lagen lauter riesige Felsbrocken. Es sah aus, als ob ein Riese sie dorthin geschleudert hatte. Auf einmal bekam ich einen riesigen Schreck: eine scheußliche Teufelsfratze grinste mich aus der Felswand an, und am Weg stand ein Schild. Auf dem stand „Hölle“. Hilfe! Was hatten die mit mir vor? Wollten die mich loswerden, weil ich so frech gewesen war?
Offensichtlich durfte ich meine beiden Futterspender aber behalten, denn wir gingen an dem Teufel vorbei. Es war auch gar kein richtiger Teufel, sondern nur ein Bild aus Stein. Wir wanderten auf eine schöne Wiese über der Schlucht mit schönen Schmetterlingen, und dann endlich weiter zu unserem Restaurant. Puh – noch mal Glück gehabt.
Die schrecklichste Wanderung in diesem Urlaub blieb mir aber erspart. Am allerletzten Tag vor der Abreise wollten die beiden unbedingt zum Schrecksee wandern. Das ist ein Marsch von neun bis zehn Stunden durch die Bergeinsamkeit. Aber ich bin eben nicht nur ein Schweinehund, sondern auch ein Glückspilz. Es gab ein heftiges Unwetter, und bei schlechtem Wetter kann man diesen Weg nicht gehen. Herrchen und Moosi waren sehr enttäuscht, aber ich jubelte innerlich. So konnten sie an diesem Tag nur einen Spaziergang über den Vaterlandsweg zum Schleierfall und zum Hirschbachtobel machen. Das reichte mir auch völlig. Ich bin ein Schweinehund und kein Muli.
So bekam ich in diesem Urlaub beides: himmlische und höllische Erlebnisse. Und Moosi hatte eine schlankere Taille als vorher, obwohl sie so viel gefuttert hat. Moosi und Herrchen wollen unbedingt noch einmal in den Allgäu, damit sie ihre Tour an den Schrecksee noch machen können. Aber ich will das auf keinen Fall. Ich hoffe, wir fahren dort nie wieder hin!